Zeitzone des Umbruchs

Das hier ist kein Holzboden, das ist Ost-Linoleum, PVC, verklebte Auslegware. Und das ist auch nicht Granitstein, das ist Pseudo-Granit. Der ist in den 90er Jahren als Anstrich des Westens auf den Fluren ausgerollt worden. Ein Graf hat damals mehrere Häuser in der Straße zu einem günstigen Preis gekauft. Und dann gab es noch einen geschlossenen Immobilienfond: Fünf Prozent Kreditzinsen auf den Kredit bei einer Landesbank, bei einem garantierten lebenslang auszugleichenden Mietzins von acht Prozent durch das Land – so ungefähr lief das.
Es gab zu den Häusern damals aus DDR-Zeiten zwar eine Entwurfsplanung und es gab die Typenfreigabe und es gab die typenmäßige Statik, aber es gab keine freigegebene Ausführungsplanung aus den Siebzigern. Es gab also vermutlich viele Stellen, die gar nicht dokumentiert waren, wo sich der Graf dann vor Ort irgendwas überlegen musste, wie er seine Sanierung umsetzt. Bauen im Bestand ist immer kompliziert und teuer.
Jedenfalls gibt es unverändert auf jeder Etage einen umlaufenden Flur, um den herum die Wohnungen angeordnet sind. Und es gibt einen Versorgungskern für die Fahrstühle, um den herum Abstellkammern liegen. Die Kellerabteile im 16.Stock, sozusagen. Diese Kammern sind noch im Originalzustand, historische Kapseln, im Format einer Telefonzelle. Dieses Detail zeigt eine Zeitzone am Übergang von Flur und Abstellkammer, an der sich Holz- und Granit-Imitat gegenüberstehen. Beide tun so, als wären sie irgendwas. Dazwischen liegt ein Rest Klebefläche, da guckt der Estrich durch. Da fehlt das „Ost“, da ist Umbruch.