Gurke und Zucker ergeben zusammen eine falsche Melone

Ich wurde eines Tages, noch zu DDR-Zeiten, von meiner Schwester vom Kindergarten abgeholt und sie sagte, heute gibt es etwas ganz Besonderes, heute gibt es Melone. Ich war außer mir vor Freude. Wir gingen nach Hause und ich musste im Wohnzimmer warten, ich durfte nicht gucken. Und es schmeckte tatsächlich wie Melone. Aber was ich da gerade gekostet hatte, war eine aufgeschnitten Gurke mit Zucker überstreut. Ich war total enttäuscht. Wenn ich heute mit Menschen aus der ehemaligen Hauptstadt der DDR spreche und erzähle, dass es in meiner Kindheit in der Provinz keine Melonen gab, glaubt mir das fast niemand. Dabei wurde auch noch anderes falsch hergestellt, zum Beispiel Ananas. Dafür hat man Zucchini in Ananassaft eingelegt. Wir haben auch für Bananen wirklich angestanden, natürlich jenseits der Leipziger Straße, dem Berliner Zentrum der Normalität.
Wer damals hier am besten Platz der Stadt gelebt hat, war sozusagen gut ausgesucht. Deswegen war der Organisierungsgrad der PDS nach 1990 hier auch so hoch.
Heute sind die Mieten relativ günstig und es ist für eine kapitalistische Stadt sehr ungewöhnlich, dass im Zentrum tatsächlich auch noch die ganz normalen Menschen wohnen. Das heißt, man sieht in der Leipziger Straße immer noch das Erbe der DDR, und dieses Erbe bedeutet mir sehr, sehr viel.