Zwischen Wertschätzung und Problemfall

Als 2019 an den Häusern auf der Nordseite der Leipziger Straße die Sanierungsarbeiten begannen, wurden diese Formfliesen abgeschlagen. Dieses Exemplar hier stammt vom Haus Nummer 58. Da wurde unter den Arkaden, als es noch keine Erhaltungssatzung gab, ein russisches Restaurant rein gebaut, hat auch niemanden weiter gestört. Das kam in diesem Zuge dann weg. Ich war entsetzt und hab die Bauarbeiter gefragt, ob sie die Fliesen wegschmeißen und ob ich welche mitnehmen kann. Und dann habe ich alle Fliesen, die ich tragen konnte, eingepackt und mitgenommen.
Diese Anekdote erzählt viel über den Umgang mit der Leipziger Straße, über diesen Wechsel zwischen Wertschätzung und Problemfall und dem fast ironischen Zwiespalt, aus dem diese Straße heraus betrachtet wird. Leute bleiben hier stehen und machen Selfies vor diesen Fliesen, an den Originalen sieht man noch die Unregelmäßigkeiten der Glasur. Und im Zuge einer Maßnahme, die versucht den Originalzustand der Gebäude wiederherzustellen, werden sie entfernt und durch glatte Dämmplatten ersetzt.
Die Leipziger Straße wird ja von vielen als das hässliche Entlein von Mitte wahrgenommen. Aber eigentlich ist sie das Schmuckstück von Mitte. Man muss eben genau hinsehen.